Spionageskandal: Türkischer Geheimdienst bespitzelt deutsche Politiker

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons) [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kundgebung_der_UETD_in_K%C3%B6ln_-_%E2%80%9EAktuelle_Ereignisse_in_der_T%C3%BCrkei%E2%80%9C-0424.jpg]

Die türkisch-deutschen Beziehungen sind nach der Aufregung um türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland und in Europa an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Nun rücken der türkische Geheimdienst MIT und seine Aktivitäten im Ausland in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Der türkische „Nationale Nachrichtendienst“ (MIT) ist bereits seit Jahren auf deutschem Boden aktiv. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, wurden seit 2010 „insgesamt vier Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste geführt“. Das ergab eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ im deutschen Bundestag.

Deutsche Politiker im Visier

Wie mehrere deutsche Medien berichten hat der deutsche Bundesnachrichtendienst unlängst eine Liste mit 358 vermeintlichen Anhängern der sogenannten „Gülen-Bewegung“ vom türkischen Geheimdienst erhalten. Die „Gülen-Bewegung“ wird von der türkischen Regierung für den fehlgeschlagenen Putsch letzten Sommer verantwortlich gemacht und steht seitdem im Fokus von türkischen Ermittlungen. Auf der Liste sollen sich auch deutsche Parlamentierer befinden, darunter die SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering, wie der „Focus“ berichtet.

6000 Spitzel in Deutschland

Insgesamt sollen in Deutschland etwa 6000 Spitzel für den türkischen Geheimdienst aktiv sein und diesen regelmäßig mit Informationen versorgen. Der Verfassungsschutz in Deutschland schlägt deshalb Alarm. Laut „Focus“ teilte die Behörde mit, dass man derzeit „einen signifikanten Anstieg nachrichtendienstlicher tätigkeiten der Türkei in Deutschland“ beobachte. Die Regierung in Ankara würde somit gezielt versuchen ihren Einfluss auf die in Deutschland lebenden Türken zu vergrößern.

Grünen-Chef Özdemir wird seit 20 Jahren bespitzelt

Ein besonders prominentes Opfer des türkischen Geheimdienstes MIT ist der deutsche Politiker und Chef der „Grünen“ Cem Özdemir. Der Geheimdienstkoordinator des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl bestätigte gegenüber der „Welt am Sonntag“ dass der umstrittene Politiker bereits zu seiner Zeit unter Beobachtung des türkischen Geheimdienstes gestanden habe. Özdemir selbst äußerte sich folgendermaßen dazu:

„Ich lebe leider schon seit langer Zeit mit einem Bedrohungsszenario. Das alles nur, weil ich den radikalen Demokratieabbau in der Türkei kritisiere. Das reicht für Ankara schon, um deutsche Bundestagsabgeordnete als verlängerten Arm von Terroristen zu bezeichnen“

Gleichzeitig wirft Özdemir den deutschen Behörden schleppende Ermittlung und bewußte Verzögerung vor, um türkischen Agenten die rechtzeitige Ausreise zu ermöglichen. Er fordert nun „schnelle und lückenlose Ermittlungen und Untersuchungen“.

Geheimdienst auch in Österreich aktiv

Auch in Österreich zeigt der türkische Geheimdienst rege Aktivitäten. So berichtet der „Kurier“, dass Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes von türkischen Geheimdienstmitarbeitern kontaktiert und um Kooperation gebeten worden seien. Laut dem „Grünen“-Politiker Peter Pilz, der von diesen Aktivitäten erfahren hat, sollen die Spitzel dabei „extrem aufdringlich und unverforen mit ihren Forderungen gewesen sein“. Pilz fordert deshalb unter anderem die Auflösung der Erdogan-Lobby-Organisationen ATIB (Moscheen-Dachverband) und UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten). Auch soll der ranghöchste Offizier des MIT in Österreich zur „unerwünschten Person“ erklärt und des Landes verwiesen werden.

Ankara will Einfluss erhöhen

Ein Ende der Spitzelaktivitäten ist allerdings noch lange nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil will der Geheimdienst allem Anschein nach seine Aktivitäten sogar noch verstärken. Erst dieses Jahr wurde das Budget für den Geheimdienst von der türkischen Regierung um 47 Prozent angehoben. Die Warnungen des Verfassungsschutzes vor einem wachsenden Einfluss Ankaras mögen angesichts dessen bereits etwas zu spät kommen.

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