Die traurige Realität in Altenheimen: Insider packt aus!

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Ein Bericht der Volksanwaltschaft spricht von gravierenden Mängeln in Österreichs Alten- und Pflegeheimen. Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) sprach sogar von „krassen Menschenrechtsverletzungen“. Der Fachverband der Gesundheitsbetriebe in der WKÖ wehrte sich gegen eine „pauschale Verunglimpfung“. Jetzt packt ein Insider gegenüber Info-DIREKT aus.

Info-DIREKT: Liebe Elisabeth, die Altenpflege steht derzeit massiv in der Kritik. Sie arbeiten seit vielen Jahren im Bereich der Altenpflege und haben bereits mehrere Altenheime kennengelernt. Welche Missstände sind Ihnen dabei aufgefallen?

Elisabeth: Teilweise werden Bewohner schon ab halb fünf in der Früh vom Nachtdienst gewaschen und angezogen. Der Tagdienst würde ansonsten nicht bis 11 Uhr mit der Körperpflege fertig werden. Ich habe auch erlebt, dass sogar schon um vier Uhr mit der Körperpflege begonnen wurde. Die Bewohner werden dabei aus dem Schlaf gerissen. Meist geschieht dies bei Bewohnern, die auch tagsüber im Bett bleiben. Argumentiert wird, dass diese ohnehin später noch schlafen könnten.

Ein Beispiel ist auch, dass um 18 Uhr alle im Bett sein müssen. Manche Bewohner sogar noch früher, gegen 17 Uhr. Sie werden dann schon am Nachmittag für die Nachtruhe umgezogen, da das Pflegepersonal ansonsten wiederum nicht fertig würde. Dies geschieht vor allem, wenn einzelne Pflegepersonen ausfallen und nicht ersetzt werden. Im Prinzip haben wir eine „Warm-Satt-Sauber-Pflege“, wenn Bewohner den ganzen Tag ohne Anreize und Zuspruch auf ihren Plätzen beim Tisch sitzen und froh sind, wenn sie wieder ins Bett können.

Info-DIREKT: Wird denn nicht für Unterhaltung gesorgt?

Elisabeth: Was soll ein Bewohner bis 22 Uhr machen? Es sind maximal drei Pflegekräfte für 80 Bewohner im Dienst. Da ist keine Zeit für Gespräche oder Animation. Animation gibt es oft nur tagsüber für einen kurzen Zeitraum. Dies meist in größeren Gruppen, in denen nur ein kleiner Teil der Bewohner aktiviert werden kann.

Info-DIREKT: Aber die meisten Pflegerinnen haben doch eine gute Ausbildung?

Elisabeth: Was hilft jemanden eine gute Ausbildung, wenn er nicht die Ressourcen hat, diese auch anzuwenden. Dieses „Dahinvegetieren“ wegen dem Mangel an Zuspruch und Zuwendung, ist wohl das schlimmste Übel in Pflegeheimen. Der „Mensch“ als Ganzes wird nicht mehr gesehen und die Persönlichkeit des Einzelnen rückt in den Hintergrund.

Schlimm ist das vor allem für Bewohner, die keine Angehörigen haben. Diese vereinsamen und sterben auch meist in einem kurzen Zeitraum. Duschen gibt es auch nur einmal die Woche – das ist Alltag und im Durchführungsnachweis meist auch so geplant. Dagegen hilft die beste Ausbildung nichts.

Info-DIREKT: Was sollte Ihrer Meinung nach gegen die Zustände unternommen werden?

 Elisabeth: Es ist einfach zu wenig Personal im Dienst. Wenn drei Pfleger 30 Bewohner versorgen müssen, ist keine Zeit für die persönlichen Bedürfnisse des Einzelnen.  Vor allem müsste Rücksicht darauf genommen werden, dass demenzielle Erkrankungen im Vormarsch sind und diese eine besondere Betreuung brauchen. Wandertrieb, Tag und Nachtumkehr, Schreien und Weinen, die Suche nach Kindern, Eltern und nach dem früheren Ich sind furchtbar. Bundeskanzler Christian Kern sollte mal eine Woche Dienst in einem Heim machen, vielleicht würde sich dann etwas ändern.

Info-DIREKT: Warum gibt es keinen Aufschrei des Pflegepersonals?

Elisabeth: Weil sie Angst um ihren Job haben. Der größte Teil sind Frauen, viele auch alleinerziehend. Wer traut sich da schon den Mund aufzumachen, wenn dies zum Jobverlust führt?

Info-DIREKT: Würden bessere Kontrollen helfen?

Elisabeth: Bedingt – denn wenn Kontrollpersonen ins Heim kommen, ist es eine Momentaufnahme. Meist wird auch nicht wirklich mit dem Pflegepersonal und den Bewohnern gesprochen, sondern Pläne und Dokumentation kontrolliert. Doch man kann viel in einen Pflegebericht schreiben und viele Tätigkeiten planen – was davon aber wirklich durchgeführt wird bzw. werden kann, ist eine andere Geschichte. Das lässt sich nur schwer kontrollieren.

Info-DIREKT: In den Pflegeberichten steht also nicht die Wahrheit?

Elisabeth: Pläne werden gefälscht und manipuliert und es ist vorgegeben, was dokumentiert werden soll. Der Dienstplan kann noch so schön aussehen: Wenn nicht ersichtlich ist, ob jemand ausfällt und ob nachbesetzt wurde, spiegelt er nicht die Wirklichkeit wider. Es ist auch vorgekommen, dass Heime schon ein paar Tage vorher wussten, dass eine Kontrolle der Landesregierung bevorsteht. Da wird dann alles auf Vordermann gebracht und geschönt.

Info-DIREKT: Wie fühlen Sie sich dabei?

Elisabeth: Für mich als Pflegeperson ist es am schlimmsten, wenn ich keine Zeit für demente Bewohner habe, die sich örtlich, zeitlich und persönlich nicht mehr orientieren können. Aber das Schlimme ist nicht nur, dass das Pflegepersonal im Stich gelassen wird, sondern dass vor allem die alten Menschen in den Heimen darunter leiden. Die Regierung vergisst, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben und nicht mit Maschinen oder Dingen. Oft führt dies dann zu Gewalt in der Pflege und alle wundern sich, warum dies geschehen kann: Burnout, Depressionen usw. – für in der Pflege arbeitende Menschen Alltag.

Info-DIREKT: Wir Danken für das Gespräch!
(Name von der Redaktion geändert.)

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