Die Buntheit, die sie meinen: Die Innovations-Lüge

By SZERVÁC Attila (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

Mit verschiedenen Narrativen – mit sinnstiftenden Erzählmotiven – wird versucht, über Medien und Politik eine positive Stimmung für Masseneinwanderung in der Bevölkerung zu schaffen. Mit der Serie »Die Buntheit, die sie meinen« wird jede Woche eine dieser Lügen aufgegriffen und kritisch betrachtet. Heute: die Innovations-Lüge.   

Kommentar von Siegfried Waschnig

Glaubt man der Innovations-Lüge, dann ist eine kulturell ausgewogene Bevölkerung nicht einfallsreich genug für kommende Herausforderungen. Zu stark seien die Übereinkünfte und Regeln in der Gesellschaft verankert und verstellen die Sicht auf neue Ideen. Der deutsche Finanzminister Schäuble sieht in der Massenmigration von kulturfremden Menschen gar ein Gegenmittel zur »Inzucht« und die unzähligen Zuwanderer stellen für ihn wertvolles Potential dar. Auch nach Anschlägen und Übergriffen bezeichnet er Zuwanderer als Bereicherung und freut sich auf ihr „enormes Potential“.[1] Der Mensch als Rohstoff. Schäuble und seine Freunde argumentieren in ideologischer Verblendung. Sie wollen Bestehendes zerstören, um Neues zu schaffen.

Zerstörung für den Kapitalismus

Die Idee der Zerstörung tauchte schon bei Marx auf, wonach die alte Ordnung vom Kapitalismus vernichtet und so ein neuer Weg beschritten wurde. Schumpeter sah in dieser »schöpferische Zerstörung« den wesentlichen Faktor für den Kapitalismus. Sie mache ihn erst aus und damit muss jede kapitalistische Gesellschaft leben. Die von den Globalisten angestrebte »Offenheit« führt zur Zerstörung bestehender Kulturen.

»Die Fremden« als vermeintliche Innovationskraft

Dabei stellen »die Fremden« ein wesentliches Element dar. Sie sind die Hoffnungsträger einer neu geordneten Welt und sollen – gemäß dieser Weltanschauung – die alte Ordnung in Europa aufheben und den Weg für die »Weiterentwicklung« des Westens ebnen. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob diese Entwicklung von Kapitalisten, Sozialisten oder Liberalisten vorangetrieben wird – sie alle eint der Wunsch nach Zerstörung bestehender Strukturen. Globalisten argumentieren, dass in der Vergangenheit auch die Industrialisierung im 18. Jahrhundert im Wesentlichen von »Fremden« beeinflusst und initiiert wurde.[2]

Verschiedenheit ohne Parallelgesellschaft

Schaut man genauer hin, dann erkennt man, dass die nach Europa Zugewanderten tatsächlich Träger unterschiedlicher Ansichten und Kulturen waren und dass diese Unterschiedlichkeit durchaus zu innovativen Ideen geführt hat. Gleichzeitig sieht man aber auch, dass sich all das im gegenseitigen Vertrauen entwickelt hat. Zuwanderung hat sich nicht in Parallelgesellschaften abgespielt.[3] Es war eine »Nähe in der Verschiedenheit« möglich, die auf ähnlichen Verhaltensweisen und kulturellen Ansichten beruhte. Und das ist ein wichtiger und entscheidender Punkt. Vertrauen beruht in erster Linie auf Gemeinsamkeit. Das hat Gründe.

Kulturelles Kapital – ein wertvolles Gut

Eine wesentliche Leistung des kulturellen Kapitals besteht im Aufbau dieses Vertrauens. Jemand, der sich unter Gleichgesinnten befindet, neigt dazu, seinem Gegenüber zu vertrauen und nicht in jeder Situation Misstrauen zu äußern. Durch dieses Vertrauen wurde im 19. und 20. Jahrhundert eine erstaunliche Stabilität entwickelt.[4] In den 1960er Jahren gab es Geldbriefträger, die den ganzen Tag mit ihren Geldbörsen unterwegs waren und Bargeld an private Adresse zugestellt haben.[5] Heute könnte dieser Bote wahrscheinlich nur mit schwer bewaffneter Begleitung sicher von Haus zu Haus ziehen. Es hat auch Zeiten gegeben, in denen in vielen Gegenden rund um die Uhr die Haustüren unverschlossen blieben. Man kannte sich, man kannte die Umgebung und wusste, wer verlässlich ist. Dieses Vertrauen wirkte sich auch auf das Miteinander aus und beeinflusste das Wirtschaftsgebaren.

Beständigkeit schafft Vertrauen

Rechtstreue, Fairness, Beschränkung der Staatsgewalt, Achtung der Rechte des Individuums, Meinungsfreiheit, Wertschätzung von Bildung und Erziehung – alles Werte, die die westliche Kultur prägen und sinnstiftende Wirkung auf die Gesellschaft haben. Es muss nicht bei jeder Verabredung ein Vertrag abgeschlossen werden, es müssen keine Verbündeten im Kartellverband gesucht werden, die im Konfliktfall helfen, Interessen durchzusetzen.[6] Der Handschlag zählt. Auch die süddeutschen und weltweit sehr erfolgreichen Spezialfirmen des Maschinenbaus sind über mehrere Generationen in homogenen Kleinstädten angesiedelt, deren Arbeitskräfte in den umliegenden Dörfern wohnen, dort ihre Nachbarschaften und Vereinskultur pflegen. Vielleicht sind sie gerade wegen dieser vertrauten Umgebung in der Lage, Produkte von Qualität und Verlässlichkeit herzustellen.[7] Beständigkeit und Innovationskraft sind also kein Widerspruch.

Multikulturalismus als Vertrauenskiller

Kulturelles Kapital und Vertrauen sind nur sehr schwer aufzubauen. Durch Multikulturalismus und die Förderung von Masseneinwanderung verliert das kulturelle Kapital an Wert. Das wiederum führt zu einer Abnahme von Vertrauen innerhalb der Gesellschaft. Nimmt Vertrauen ab, sinkt auch die Leistungsfähigkeit.[8] Darum ist es besonders wichtig, mit dem kulturellen Erbe sehr behutsam umzugehen. Im Zuge von Zuwanderung verändert sich auch die kulturelle Zusammensetzung der Aufnahmegesellschaft und deshalb auch ihre Leistungsfähigkeit.

Zuwanderung verschiebt Werte

Zuwanderer sind nicht nur Menschen, die sich durch ihre »Fremdheit« von uns unterscheiden. Sie sind Menschen, die kulturell anders sozialisiert sind und deshalb ihren »kulturellen Rucksack« mitbringen, der ihnen auch ans Herz gewachsen ist. Das alleine macht Zuwanderung noch nicht »gut oder schlecht«. In welche Richtung sich die kulturelle Zusammensetzung bei Zuwanderung verschieben wird, lässt sich realistisch auch gar nicht vorhersagen und ist weitgehend unklar. Die Erfahrungen, die die Aufnahmegesellschaften bisher gemacht haben und die Beurteilung der Zustände in den Herkunftsländern lassen aber ahnen, wohin die Reise geht. Schon alleine deshalb ist Vorsicht und behutsames Vorgehen im Treffen von Entscheidungen die Zuwanderung betreffen vernünftig und angebracht.

Zuwanderung – aber richtig

Zuwanderung und kulturellen Austausch hat es immer schon gegeben – einmal im größeren, einmal im kleineren Ausmaß. Und es hat immer einen gegenseitigen Austausch und eine gegenseitige Befruchtung gegeben, was gut und wichtig ist. Wie die Realität aber zeigt, findet ab einem gewissen Einwanderungsstand kein kultureller Austausch mehr statt, weil sich die Zuwanderer in Parallelgesellschaften flüchten. So können sie auch in Europa in »ihrer Welt« leben und müssen dafür nicht die Sprache lernen oder sich anders auf die örtlichen Gegebenheiten einstellen, um die täglichen Herausforderungen des Alltags zu meistern. Im Gegensatz zum vorigen Jahrhundert findet Zuwanderung im großen Maße aus kulturfernen Ländern statt, was sich auch im Umgang miteinander bemerkbar macht. Gewalt steht an der Tagesordnung. Das Vertrauen schwindet. Innovation und Leistung sinken. In der Tat – es findet Zerstörung statt und Neues wird daraus entstehen. Ob dieses Neue dann so innovativ ist, wie es uns die Etablierten glauben lassen wollen, wird sich zeigen. Noch besteht die Möglichkeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Siegfried Waschnig ist Doktorand im Fach Philosophie, parlamentarischer Mitarbeiter, Vater von fünf Kindern. Er hält die Debatte über Kultur, Heimat und Zuwanderung nur auf Vernunftebene lösbar.

 

Literaturhinweis: Sieferle, Rolf Peter: Das Migrationsproblem. Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung. Waltrop/Berlin: Manuscriptum 2017.

 

[1] Sieferle: Migrationsproblem. S. 53.

[2] Sieferle: Migrationsproblem. S. 53.

[3] Sieferle: Migrationsproblem. S. 53.

[4] Sieferle: Migrationsproblem. S. 56.

[5] Sieferle: Migrationsproblem. S. 57.

[6] Sieferle: Migrationsproblem. S. 56.

[7] Sieferle: Migrationsproblem. S. 54.

[8] Sieferle: Migrationsproblem. S. 58.

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