Die französische Präsidentschaftswahl: eine verpasste Chance

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Marine Le Pen hat die zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich deutlicher verloren als erwartet. Nach dem ersten Wahlgang prophezeiten ihr Umfragen mindestens ein Ergebnis von 40 Prozent, Macron sollte demnach maximal 60 Prozent erreichen. Am Ende konnte sie nur 33,9 Prozent der Stimmen für sich beanspruchen. 

Ein Gastkommentar von Thomas Martin

Nichtsdestotrotz stellt das Ergebnis eine respektable Leistung dar. 2002 brachte es ihr Vater Jean-Marie Le Pen nur auf 17,8 Prozent in derselben Situation. Von „Debout la France“ (4 Prozent) abgesehen, riefen alle anderen Parteien auf, gegen sie zu stimmen. Auch hatte sie das gesamte mediale und künstlerische Establishment gegen sich. Ein bisschen lässt sich die Situation mit der Wahl in den Vereinigten Staaten vergleichen, mit dem Unterschied, dass das französische Wahlsystem für einen populistischen Kandidaten weniger geeignet ist. Alles zusammengenommen war es sehr schwierig für Marine Le Pen, diese Wahl zu gewinnen.

Falsche Themenwahl

Marine Le Pen hätte allerdings besser abschneiden können. Eine Erklärung für das Zurückbleiben hinter den Erwartungen ist die von ihr und ihrem Berater Florian Philippot forcierte Strategie, mit dem bloßen Kampf gegen die Europäische Union und den Euro eine Mehrheit erreichen zu können. Damit versuchen sie, an das deutliche „Nein“ zum Verfassungsreferendum der EU im Jahr 2005 anzuknüpfen.

Zudem versuchten sie mit einem besonders sozialen ökonomischen Programm Wähler des linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon (19%) zu gewinnen. Das ist der Grund, warum Marine Le Pen ihren Gegner Macron in der einzigen Fernsehdebatte hauptsächlich bei ökonomischen und EU-Themen attackierte. Das Thema der Einwanderung wurde kaum behandelt, obwohl sie genau bei dieser Frage nach Lösungen für die zunehmende Terrorgefahr dominieren konnte.

Taktik ging nicht auf

Trotz dieser Taktik, linke Wähler gewinnen zu wollen, wechselte die Mehrheit der Wähler nicht von Mélenchon, sondern von dem bürgerlich-konservativen Francois Fillon (20%) zu Marine Le Pen. Das Resultat hätte wesentlich besser ausfallen können, wenn sie konsequent auf Themen wie Einwanderung und Islamisierung gesetzt hätte.

Die Wählerschaft von Mélenchon wird aufgrund ihres Internationalismus und „Antifaschismus“ wohl kaum für eine Kandidatin wie Marine Le Pen stimmen. Die bürgerlichen Wähler von Fillon sind dafür wesentlich offener. Beispielsweise ist die junge Nichte von Marine, Marion-Maréchal Le Pen, welche ökonomisch flexiblere Ansichten vertritt, bei der traditionellen Rechten sehr beliebt. Ihre Aussage „Mir ist es egal, ob meine Tochter ihre Burka in Francs oder Euro bezahlen muss“ steht stellvertretend für ihren Fokus auf Themen wie Einwanderung und Islamisierung.

Ideologische Engstirnigkeit

Dafür gibt es einen einfachen Grund. Die meisten Menschen in Frankreich, besonders die große konservative Wählerschaft, ist sich bei Themen wie Einwanderung, Islam und Sicherheit mit dem Front National einig. Das ist bei Themen wie dem Euro, der Europäischen Union und ökonomischen Themen nicht der Fall. Die Führung des Front National weigert sich, dies aufgrund ihrer ideologischen Engstirnigkeit anzuerkennen.

Aus Wahlkampf lernen oder scheitern

In dieser Wahl wurden sowohl die traditionelle Rechte („Les Républicains“, vergleichbar mit ÖVP) als auch die traditionelle Linke („Parti socialiste“, vergleichbar mit SPÖ) schwer geschlagen. Zudem haben sie mit starken inneren Spannungen zu kämpfen. Es existiert eine völlig neue politische Landschaft in Frankreich. Eine Landschaft, die sowohl Chancen als auch Gefahren mit sich bringt. Marine Le Pen und die Führung des Front National stehen nun vor der Entscheidung, aus den Fehlern dieses Wahlkampfes entweder zu lernen oder weiterhin zu scheitern.

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