Exklusivbericht eines Burschenschafters: „Meine erste Mensur“

Zwei Paukanten auf sich alleine gestellt, jeder von ihnen etwa einen Meter geschliffenen Stahl in der Hand. Geschützt wird das Gesicht nur durch eine eiserne, vergitterte Brille, die einem die Sicht raubt und somit auch das sichere Gefühl Herr der Lage zu sein. Dann kommt das Kommando: „Auf die Mensur, legt Euch aus.“ – „Sie liegen aus.“ – „Los.“

Exklusivbericht eines Burschenschafters

Wenn man mit 19 oder 20 Jahren frisch aus dem Bundesheer kommt und zu studieren beginnt, dann tritt man mit dem Gefühl in einen neuen Lebensabschnitt, schon viel erlebt zu haben. Bei eisigem Regen durch Matsch, Disteln und Geröll zu robben, scheint einen auf das Leben vorzubereiten. Nichts kann einen mehr schrecken und man wähnt sich gestählt für die harte Wirklichkeit.

Doch weit gefehlt …

Mit dem Eintritt in eine Burschenschaft geht man nicht nur einen lebenslänglichen Freundschaftsbund ein. In der Probezeit, der sogenannten Fuxenzeit, muss man sich intensiv auf die Aufnahme in den inneren Verband der Burschenschaft vorbereiten. Es gilt Prüfungen abzulegen, einen fachlichen Vortrag zu halten und eben seinen Mut in einer Mensur zu beweisen. Im blutigen aneinanderprallen zweier Kontrahenten.

Zwei Semester trainiert man im Durchschnitt mit stumpfen Klingen in den sogenannten Paukstunden. Fünf Mal die Woche jeweils zumindest eine Stunde. Die Mensurvorbereitung lässt sich durchaus vergleichen mit Trainingseinheiten für den Spitzensport. Nicht immer ist man motiviert schon um 06:00 Uhr in Sportkleidung am eiskalten Dachboden oder im Paukkeller zu stehen und die Klinge über dem Kopf zu schwingen. Oft schmerzen und brennen die Glieder, da man Muskeln trainieren muss, von denen man gar nicht wusste, dass sie existieren. Das Training bringt einen regelmäßig an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit. Doch es muss jede Bewegung sitzen: Die Trefferflächen, auf die man dann den Stahl punktgenau aufsetzen muss, bewegen sich im Zentimeterbereich. Eine geringe Abweichung kann entweder zu einer ungewollt schlimmen Verletzung führen oder dazu, dass der Hieb „flach“ ankommt und wirkungslos bleibt. Irgendwann, wenn man in diesem Trainingsrad gut eingebunden ist, wenn man sich jedes Mal besser fühlt, dann naht der Zeitpunkt heran, an dem man sich bereit fühlt für die echte Auseinandersetzung.

Tag der Entscheidung: Meine erste Mensur

Mensur BurschenschaftDer Mensurtag selbst beginnt wie jeder andere auch – von schlaflosen Nächten kann ich persönlich nicht berichten, wobei man das von anderen vereinzelt vor der ersten Partie hört. Ein komisches nervöses Gefühl kriecht jedoch schnell in einem hoch. Beim gemeinsamen Frühstück mit den Bundesbrüdern wird nicht viel gesprochen, jeder weiß genau, was einem durch den Kopf geht. Gegen Mittag wird dann noch einmal die gesamte Ausrüstung anprobiert und zur Abreise verpackt.

Die Autofahrt nach Graz wird damit verbracht mich durch Witze, lustige Geschichten und allerlei anderen Blödsinn zu beruhigen und dennoch schon eine Atmosphäre aufzubauen, die für die Mensur selbst und das gesamte Leben in der Burschenschaft steht und auch den Reiz ausmacht: „Wir stehen alle hinter dir, wir haben das Selbe durchgemacht.“ Dieses Wissen, dass man nicht alleine ist, die Erfahrung, die alle in der Gemeinschaft gleich macht, dies macht die Mystik einer Burschenschaft aus und bereitet für den Ernstfall geistig besser vor als das monatelange Training.

Burschenschaft MensurNach einer mehrstündigen Fahrt ist es dann soweit. Richtige Nervosität fühlt sich anders an, doch das flaue Gefühl in der Magengegend breitet sich aus und intensiviert sich. Wir werden höflich aber distanziert in einen eigenen Raum gebeten, in dem wir uns vorbereiten können. Nun wird es wirklich ernst. Ich werfe mich in mein Mensurgewand. Es ist nichts Besonderes, eine schwarze Jeanshose, lederne Bundesheerstiefel und ein graues Bundesheer T-Shirt, welches ich in weiterer Folge aber zu jeder meiner insgesamt fünf Partien angezogen habe und das zu meinem persönlichen Glücksbringer wurde.

Das Anlegen der Schutzausrüstung selbst hat etwas archaisches, beinahe schon mittelalterliches. Der Geist vergangener Tage scheint einen zu durchströmen. Zum Schutz der Halsschlagader wird ein kompaktes Stoffpaket befestigt und der Hals dann mit einer uralten, schon etwas abgetragene, Filz-Seiden-Krawatte umwickelt. Diese schwarze Stoffbahn soll noch zusätzlichen Schutz bietet, sitzt jedoch so fest, dass einem das Atmen schwer fällt. „Das ist die Gute, die habe ich seinerzeit schon getragen“, erwähnt ein etwa 65-jähriger Bundesbruder, der mit Argusaugen den richtigen Sitz der Schutzausrüstung prüft. Als nächstes wird mir eine Kevlarweste angelegt, die mich vor Schnitten schützen soll und am Rücken geschlossen wird. Zum Schutz meines Fechtarms wird mir ein kettenverstärkter Handschuh angezogen, auf dem noch Blutspritzer des letzten Gefechts prangen. Darüber wird noch ein gefütterter und mit Leder bezogener Armstulpen angelegt. Weiters trage ich einen Tiefschutz, der alles bauchabwärts schützt. Ab dem Anziehen wird man schon nervös. Nun kreisen alle Gespräche und alle Aufmerksamkeit nur noch um dich und die bevorstehende (möglicherweise) blutige Fechtpartie. Durch den Kopf schießen einem Gedanken wie; „Werde ich gut stehen, nicht zucken oder wackeln?“ – „Werde ich im Gesicht getroffen, wie seh ich dann aus?“ – „Ist der andere besser, schneller oder stärker?“ Doch lange hat man nicht Zeit sich Gedanken zu machen.

„Auf die Mensur…“

Dann ist es so weit: 19:00 Uhr, … weiterlesen im aktuellen Magazin Info-DIREKT

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