Ex-CIA-Offizier: Alles war falsch, was die USA über Saddam behaupteten

Von Anonymous U.S. Military Employee - The file was leaked by an unnamed U.S. Government source. Because of the timeline of events in the capture of Saddam Hussein, there was no individual outside the U.S. Military with access to Saddam, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5229951

Er war der Erste, der Saddam Hussein nach seiner Verhaftung verhörte und sagt von sich selbst, dass er Hussein In- und Auswendig kannte. „Ich habe ihn jahrelang eingeatmet“, schreibt er in seinen Memoiren. Diese erschienen im Dezember 2016 in den USA und hätten eigentlich einen medialen Aufschrei auslösen müssen. Denn das Bild von Hussein wird darin auf den Kopf gestellt.

John Nixon war derjenige CIA-Offizier, der Saddam Hussein im Dezember 2003 nach seiner Verhaftung als Erster verhörte. Seine Erinnerungen „Debriefing the President: The Interrogation of Saddam Hussein“ erschienen bereits im Dezember 2016 in den USA. Darin zeigt der Ex-Agent, der bis 2011 beim CIA war: Fast alles, was Bush über Saddam behauptete, war falsch.

Saddam Hussein schrieb Romane

Das beginnt mit der Erkenntnis, dass Saddam Hussein nicht einmal mehr die Regierungsgeschäfte im Irak leitete. „Unsere Annahme, dass er sein Land mit eisernem Griff regierte, war einfach falsch. Aus den Befragungen ging hervor, dass Saddam meistens gar nicht wusste, was in den letzten Jahren im Irak passiert war“, wird Nixon von „Stern“ zitiert. Denn Hussein, den er als eindrucksvolle Figur schildert, hatte die Regierungsarbeit längst abgegeben und widmete sich dem Schreiben eines Romans.

Die Bedrohung der Welt durch Saddam Hussein war ein Lügengebäude der US-Propaganda. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagt Nixon sogar: „Dieser Saddam wirkte eher wie ein Großvater, der kein großes Interesse mehr am Polit-Geschäft hatte. Er liebte das Schreiben. Er war etwa stolz darauf, dass er all seine Reden selbst schrieb. Ich denke, dass Saddam zum Ende seines Lebens lieber ein Intellektueller sein wollte.“

Alles war erlogen

Selbst ganz grundsätzliche Informationen in der CIA-Akte seien falsch gewesen. Der CIA schuf Parallelen zu Stalin und erklärte die Grausamkeit des Diktators mit einer Misshandlung durch den Stiefvater. Doch Hussein beschrieb seinen Stiefvater im Verhör als den freundlichsten Menschen, den er je getroffen hatte.

Was den Giftgas-Einsatz gegen sein eigenes Volk angeht, sagt Nixon im Interview mit der SZ: „Nicht Saddam hatte den Befehl für den Gebrauch von chemischen Waffen erteilt. Es war die eigenständige Entscheidung eines irakischen Generals.“ Entgegen dem öffentlichen Bild liebte Saddam die Kurden, weil diese vom Land seien und er mit ihnen besser zurechtgekommen sei als mit den Städtern. Als Saddam im Nachhinein vom Giftgas-Einsatz erfuhr, soll er in Wut ausgebrochen sein. Denn Saddam fürchtete zu Recht, dass sich die internationale Kritik nun auf Bagdad fokussieren würde. In zwei Briefen hat sich Saddam von dem Angriff distanziert, fand damit aber kein Gehör im Westen.

CIA lieferte, was Präsident hören wollte

„In den Jahren unter Clinton, Bush und Obama lernte ich, dass das Arbeitsprinzip in Wirklichkeit lautete: Mache alles so, wie es erwartet wird“, beschreibt Nixon das Vorgehen des CIA. Störende Informationen gelangten vor dem Irak-Krieg nicht mehr zum Präsidenten. Vielmehr „folgte der Dienst sklavisch den Wünschen des Präsidenten, um möglichst nahe an der Macht zu sein und das enorme Budget zu rechtfertigen. Das war der eigentliche Antrieb des Geheimdienstes.“

Saddam gegen religiösen Extremismus

Erstaunlich ist seine Enthüllung, dass Hussein die USA nicht als Gegner wissen wollte, sondern als natürlichen Verbündeten gegen religiösen Extremismus. Al-Kaida und Saddam hassten sich gegenseitig. Saddam hoffte sogar, dass 9/11 den säkularen Irak und die USA näher zusammenbringen würden. Nicht die schiitische Mehrheit sah Hussein als Feind, sondern die sunnitische Fundamentalisten, die von Saudi-Arabien finanziert würden.

Ohne den Sturz von Saddam würde es heute keinen IS geben: „Ich möchte nicht nahelegen, dass Saddam unschuldig gewesen ist. Er war ein schrecklicher Diktator, (…). Aber im Nachhinein wäre die Aussicht auf einen entwaffneten und alternden Saddam an der Macht weit besser, als die Verschwendung des Lebens unserer Soldaten und der Aufstieg des IS, von den 2,5 Billionen Dollar Kosten ganz abgesehen.“ Auch der arabische Frühling und der darauf folgende arabische Winter mit dem Militärputsch in Ägypten und den Bürgerkriegen in Libyen, im Jemen und vor allem in Syrien wären ausgeblieben.

Statt Saddam, verachtet Nixon George W. Bush. Dieser sei ein Mann gewesen, der in seiner Gegenwart Witze über das nicht vorhandene Giftgas machte. Zu einem Zeitpunkt, an dem bereits 4000 US-Soldaten und unzählige Iraker wegen seines „Irrtums“ gefallen waren: „Was für ein Arschloch!“

 

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