Kurz-Wahlkampfauftakt: Eine perfekte Inszenierung

Ankündigungsminister Sebastian Kurz mit ÖVP-Sprecher Peter L. Eppinger
Minister Sebastian Kurz mit ÖVP-Sprecher Peter L. Eppinger. Bild: Info-DIREKT

Als ich kurz vor 20 Uhr in Ried ankomme, holt Moderator Peter L. Eppinger Sebastian Kurz gerade zum zweiten Mal auf die Bühne. Eine Stunde ist es bereits her, dass er seine Rede in der Innviertler Messestaat hielt. Mittlerweile haben viele seiner Fans den Stadtplatz verlassen, es herrscht aber immer noch gute Stimmung.

von Michael Scharfmüller

Auf der Bühne erzählt Kurz, dass er sich freue, endlich mal aus Wien rauszukommen. Über Politik wird jetzt nicht mehr gesprochen – die Rede von Kurz war genug Politik. Jetzt geht es darum gute Stimmung zu verbreiten. Darum mischt sich der Sunnyboy Kurz auch gleich wieder ins Publikum um die Selfies mit seinen Anhängern zu machen: Anlächeln, Händeschütteln, Aufstellung zum Selfie, Händeschütteln. Der nächste bitte. Die Menschenmenge rund um Kurz scheint nicht kleiner zu werden. Immer wieder kommen kleine Grüppchen um sich mit ihrem Politstar ablichten zu lassen. Für Gespräche bleibt bei diesem Gedränge keine Zeit. Der Selfie-Reigen findet zudem direkt vor den Lautsprechern statt, aus denen laute, rockige Musik der Band dröhnt – auch das macht Gespräche praktisch unmöglich.

Keiner soll heute ohne ein Selfie heimgehen

Einmal muss er aber doch noch etwas sagen. Eppinger hat im Publikum Silvia Schneider (LT1-Moderatorin und Andreas Gabalier Lebensgefährtin) entdeckt. Gemeinsam mit ihr sucht er jetzt noch einmal Kurz auf. Natürlich sind die drei per Du miteinander. Silvia erzählt, dass sie „den Sebastian“ in Wien öfters im Fitnessstudio treffe. Derweil sie morgens noch an der Bar des Fitnessstudios einen Kaffee trinke, beende Sebastian meist schon seine Trainingseinheit, erzählt sie. Schneider darf Kurz noch eine Frage stellen, bevor er sich wieder ganz den Selfies widmet. Schneider  stellt ihm eine belanglose, unpolitische Frage. Sebastian Kurz beantwortet diese – fast schon in gewohnter Weise – sehr unkonkret. Silvia Schneider will nachhacken, aber der ehemalige Ö3-Moderator und nunmehriger ÖVP-Sprecher Eppinger beendet das Gespräch. Sebastian will wieder zu seinen Fans. Keiner soll heute ohne ein Selfie heimgehen, heißt es.

Worte im Wahlkampf statt Taten als Minister

Andreas Pils, Efgani Dönmez
Oberösterreichs Polizeichef Andreas Pilsl (links). Neo-ÖVP Politiker Efgani Dönmez (rechts). Bilder: Info-DIREKT

In seiner Rede gab Kurz altbekanntes zum Besten: Österreich sei vor ein paar Jahren noch ein europäisches Vorzeigeland gewesen. Jetzt sei man nach hinten gefallen, das möchte er nun ändern. In Sachen Zuwanderung sei in letzter Zeit auch etwas schief gelaufen. Zudem müsse sich jeder wieder mehr leisten können. Dass „Sebastian“, wie ihn hier alle rufen, seit 2011 Teil der amtierenden Regierung ist und somit viele Probleme längst lösen (oder einfach nicht verursachen) hätte können, stört hier niemanden. Stattdessen freut man sich über den neuen türkisen Anstrich der alten Volkspartei, den „Sebastian“ veranlasst hat.

Türkis heißt das neue Schwarz

ÖVP, Liste Kurz: Wahlkampfauftakt
Konzert- statt Bierzeltatmosphäre bei Wahlkampfauftakt der ÖVP. Bild: Info-DIREKT

Silvia Schneider trug mit ihrer Fitnessstudio-Erzählung und dem Satz, dass sich ihr Lebensgefährte sicher gefreut hätte, wenn Sebastian dessen Konzert in Schladming besucht hätte, perfekt zur türkisen Inszenierung bei, für die weder Kosten noch Mühen gescheut wurden. So wurde eine große Bühne am Stadtplatz aufgebaut. Aus türkisen „Foodtrucks“ wurden Würstel verkauft. Für die Kleinen gab es ein eigenes Kinderprogramm und eine Hüpfburg. Eigene Kamerateams übertrugen das Geschehen in Echtzeit auf zwei riesige Videowalls. Luftballons und eine ganze Armada an jungen Wahlkampfhelfern tummelten sich am Stadtplatz um Werbegeschenke und gute Laune zu verbreiten. Oberösterreichs Polizeichef Andreas Pilsl strahlt mit Efgani Dönmez um die Wette. Hin und wieder sieht man noch ein paar Personen mit schwarzen Polos und „ÖVP“-Aufdruck. Sie wirken irgendwie fehl am Platz – als ob sie sich auf eine falsche Veranstaltung verirrt hätten.

Konzert statt Bierzelt

Minister Kurz konnte oder wollte Österreich nicht vor der Massenzuwanderung schützen. Die Zufahrt zu seiner Wahlkampfveranstaltung muss jetzt von einem Feuerwehr-LKW blockiert werden. Bild: Info-DIREKT

Körpersprache-Experte Stefan Verra meinte vor kurzem, dass Sebastian Kurz im Bierzelt schwer tue, Menschen zu begeistern. Die ÖVP hat bei ihrem Wahlkampfauftakt in Ried jedoch bewiesen, dass Kurz im Bierzelt gar nicht begeistern muss. Sie hat rund um ihn ein perfektes „Event“ organisiert, das eher an ein Konzert als eine politische Veranstaltung erinnert.

Terrorgefahr

Damit diese perfekte Inszenierung nicht gestört wird, blockiert ein Feuerwehrauto die Zufahrt zum Stadtplatz. Als Sebastian Kurz 2011 Teil der Bundesregierung wurde, waren solche Maßnahmen noch undenkbar. Die fehlgeleitete Politik von Sebastian Kurz und seinen Kollegen auf der Regierungsbank haben die nun scheinbar notwendigen Sicherheitsmaßnahmen mitverursacht. Diese Tatsache dürfte im Wahlkampffieber jedoch von der ÖVP-Basis vergessen worden sein.

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