Rockenbauer: „Nur ein absolutes Rauchverbot ist gerecht“

Bildkomposition Info-DIREKT / Hintergrundbild Gasthaus pixabay (CC0) / Rauchverbot pixabay (CC0)

In den letzten Wochen wurde das Rauchverbot in Österreichs Gastronomie heiß diskutiert. Aus diesem Grund lassen wir Befürworter und Kritiker des allgemeinen Rauchverbots zu Wort kommen. Im folgenden Interview erklärt uns Robert Rockenbauer, Obmann der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher, warum er für das allgemeine Rauchverbot eintritt.

Info-DIREKT: Wie steht die „Österreichische Schutzgemeinschaft für Nichtraucher“ zum allgemeinen Rauchverbot, das nun von der neuen Regierung gekippt werden könnte?

Rockenbauer: Es ist eine Schande, dass ein sinnvolles Gesetz zum Schutze der Bürger vor Beeinträchtigung des Passivrauchens noch vor Inkrafttreten wegen eines nikotinsüchtigen Rabauken abgeändert wird. Das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) wurde im Mai 2015 beschlossen, tritt aber wegen der Rechtssicherheit erst mit Mai 2018 in Kraft. Nun entsteht eine weitere Rechtsunsicherheit.
Es ist nicht einzusehen, warum für die Gastronomie seit 1975 ständig Ausnahmen gemacht werden. Das Rauchverbot gilt in allen Räumen öffentlicher Orte. Dazu gehört auch die Gastronomie.

Nur ein absolutes Rauchverbot ist gerecht, verhindert jeglichen Wettbewerbsnachteil, ist leicht überprüfbar und administrierbar, und schützt Gäste, Wirte und das Personal gleichermaßen vor dem gesundheitsschädlichen Tabakrauch.. Vielen aufhörwilligen Rauchern kann mit einer rauchfreien Gastronomie geholfen werden und Ex-Raucher werden nicht neu zum Rauchen verleitet. Aber ganz entscheidend für die Zukunft ist, dass Kinder in der rauchfreien Gastronomie kein schlechtes Beispiel mehr erleben und Jugendliche hier nicht mehr zu ihrer ersten Zigarette verführt werden können.

Info-DIREKT: Laut Medienberichten soll es statt des allgemeinen Rauchverbots in Gaststätten das „Berliner Modell“ geben. Das heißt: Weiter getrennte Räume für Raucher und Nichtraucher, dafür verstärkter Jugendschutz in den Lokalen. Außerdem soll das Rauchen erst ab 18 Jahren erlaubt werden. Ist eine solche Regelung ihrer Ansicht nach ausreichend?

Rockenbauer: Das ist reine Augenauswischerei. Das Rauchverbot bis zum 18. Lebensjahr ist Ländersache und bereits beschlossen. Es tritt mit 1.Mai 2018 in Kraft. Hat also gar nichts mit dem TNRSG zu tun. Ein Betretungsverbot bis zum 18. Lebensjahr ist zwar zu begrüßen und haben wir seit 2009 eingefordert. Es ist aber niemals mit einem absoluten Rauchverbot zu vergleichen. Dieses hat nämlich eine viel größere Signalwirkung: Es macht deutlich, dass ein gesundheitsschädliches Verhalten nicht mehr „in“ und das Nichtrauchen der Normalzustand ist. Je weniger Rauchmöglichkeit, desto geringer der Raucheranteil in der Bevölkerung. Ein Ziel, das auch die Tabakrahmenkonvention der WHO verlangt und Österreich mit einer Abänderung vom absoluten Rauchverbot wieder nicht erreicht. Keine andere Maßnahme kann gesundheitspolitisch mehr erreichen als das Rauchverbot in der Gastronomie. Nun wird mit dem „Berliner Modell“ sogar der Nichtraucherschutz verschlechtert, weil Lokale bis 75 qm entscheiden können, ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherlokal sein wollen. Bis jetzt sind es ja 50 qm.
Eigenartig, dass sich FPÖ-Politiker nicht an das beste Modell (z.B. Bayern, Spanien, Frankreich, England usw.) orientieren, sondern immer an einem Modell mit Ausnahmen. Damit wird gewährleistet, dass der Nichtraucherschutz nicht funktionieren kann.
Und wer soll das Betretungsverbot bis zum 18. Lebensjahr kontrollieren? Eben! Augenauswischerei!

Im Gesundheitsbereich kann es keine Kompromisse geben! Das hieße ja einverstanden zu sein, dass das Rauchen weiterhin Krankheit, Leid und vorzeitigen Tod verursachen darf und das an Bürgern, die selbst gar nicht rauchen. Schützen oder schaden. Beides zusammen geht nicht. Entweder schütze ich die Bürger vor dem gefährlichen Nikotin-Giftgasgemisch oder ich setze sie dieser Gefahr aus, was letztlich einer fahrlässigen Körperverletzung gleichkommt. Gesundheitsschädigung ist nicht toleranzfähig. Der Staat hat seine Bürger vor vermeidbaren Schäden zu schützen. Deshalb absolutes Rauchverbot in der Gastronomie.

Info-DIREKT: Warum sollte es Gastronomen nicht selbst entscheiden können, ob in ihrem Lokal geraucht wird? Oder was spricht gegen getrennte Bereiche?

Rockenbauer: Vermeidbare Gesundheitsschäden vom Volk abzuwenden ist eindeutig Aufgabe des Staates und liegt nicht in der Verantwortung der Wirte. Ein Wirt kann nicht machen, war er will. Er unterliegt vielen gesetzlichen Bestimmungen z.B. im Hygienebereich, im Lärmschutzbereich, im Feuerschutzbereich usw. Er kann nicht den Gästen verdorbene Speisen anbieten, keine wackligen Stühle aufstellen usw. Es ist die gesetzliche Auflage zu erteilen, die Gäste vor vergifteter Luft zu schützen. Die Lufthygiene ist genauso wichtig wie die Hygiene in der Küche und auf der Toilette.

Aufgrund fehlender staatlicher Kontrollen halten 70-80 Prozent der Wirte das Tabakgesetz nicht ein. Deshalb beschloss die Regierung im Mai 2015 ein absolutes Rauchverbot. Kammerfunktionäre und rebellierende Wirte verkünden frech, dass das bisherige Gesetz gut funktioniere und keine Änderung nötig sei. Sie rühmen sich der Kennzeichnung, der guten Lüftung und dass jeder Gast mündig genug sei, selbst aussuchen zu können, wohin er gehen will. Die Praxis sieht völlig anders aus: Vielfach fehlt die Kennzeichnung oder die kleinen Pickerln sind schon so vergilbt, dass man ihre Aussage kaum erkennen kann. Die Türen zum Raucherraum sind meist offen und die Entlüftungsanlage ist in den seltensten Fällen (hoher Energieverbrauch) eingeschaltet bzw. schlecht gewartet, d.h. ohne Funktion. Aber selbst bei vorschriftsmäßiger Raumtrennung ist der Rauch auch im Nichtraucherbereich in gefährlicher Konzentration nachweisbar. Die Beschilderung bei Mischbetrieben täuscht eine falsche Sicherheit vor.

Es muss als Schildbürgerstreich bezeichnet werden, dass die Regierung die Möglichkeit einer Raumtrennung zugelassen hat ohne den Wirten vorzuschreiben, wie dieser ausgestattet sein muss. In Italien gibt es klare Vorschriften für einen Raucherraum: Eigenes (getrenntes) Be- u. Entlüftungssystem, 5 Pa Unterdruck und einen automatischen Türschließer. Und erst nach Prüfung der Behörde darf ein Raucherraum freigegeben werden. Nur 2 Prozent der Wirte haben von dieser teuren Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Und von wegen Wahlfreiheit. Probieren Sie es aus! Gehen Sie in eine fremde Stadt. Wie wollen Sie wissen, wo es dort ein reines Nichtraucherlokal gibt? Denn die gemischten Lokale sind ja kein Angebot, wenn im Nichtraucherraum ebenfalls der gefährliche Feinstaub nachweisbar ist. Selbst als Einheimischer kann ich nicht sagen, wo es in Innsbruck reine Nichtraucherlokale gibt, außer dem Cafe Central. Oder ganz praktisch: Ich bin unterwegs, ich bekomme einen Hunger und fahre in eine mir unbekannte Ortschaft. Aha, da ist ein Gasthaus. Ich versuche eine Parkmöglichkeit zu finden. Endlich. Kennzeichnung nicht vorhanden. Gehe trotzdem ins Lokal. Es empfängt mich starker Rauch. Der Hauptraum, der eine Nichtraucherraum sein müsste, ist hier aber im einzigen Dorfgasthaus der Raucherraum mit Bar und allem drumherum. Ich flüchte und fahre in den nächsten Ort. Das gleiche Beispiel wiederholt sich. Nennen Sie das Wahlfreiheit? Deshalb: Nur ein absolutes Rauchverbot ist die Lösung.

Info-DIREKT: Kritiker des allgemeinen Rauchverbots warnen vor Umsatzverlusten für die Gastronomie. Sind die Warnungen aus Ihrer Sicht berechtigt?

Rockenbauer: Wirtschaftskammerfunktionäre agieren oft als Lobbyisten der Tabak-Nikotindrogen-Industrie. Sie verbreiten Angst über Umsatzeinbußen und Schließungen von Lokalen. In keinem Land der Welt gab es ein „Wirte-Sterben“ wegen des Rauchverbots. Bestes Beispiel ist Bayern. Vor 2008 ging es mit dem deutschen Gaststättengewerbe steil bergab. die Rückgänge hatten aber nichts mit einem Rauchverbot zu tun, sondern mit einem gesteigerten Freizeit- und Fernsehangebot. Die Bürger sind gesundheitsbewusster geworden. Kommunikation erfolgt heute vielfach (leider!) über E-Mail, Facebook, Twitter usw. Das gesellschaftliche Verhalten der Menschen hat sich geändert. Ein Gastlokal zur Unterhaltung steht nicht mehr allein im Fokus. Es gibt andere, gesündere Angebote. Der reale Umsatz der speisengeprägten Gastronomie nahm seit 1994 jedes Jahr im Durchschnitt um 4,3 Prozent ab, bei der geträngegeprägten Gastronomie registrierte das Statistische Bundesamt in Deutschland sogar ein jährliches Minus von 6,9 Prozent. Erst mit Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze – die meisten davon ab 1.1.2008 – setze in Deutschland eine Trendwende ein.

In Bayern lagen die Umsätze bereits 2010 deutlich über denen des Vorjahres. Bemerkenswert ist, dass der Umsatz in den ersten sechs Monaten nach dem Volksentscheid am 1.8.2010 im Plus lag, während er in den ersten sechs Monaten zuvor ein deutliches Minus aufwies. Mit dem gesetzlichen Nichtraucherschutz stieg auch die Zahl der Beschäftigen im Gaststättengewerbe wieder an.
Ähnlich verlief die Umsatzentwicklung in Nordrhein-Westfalen und in Saarland. Das von den Wirten beklagte „Wirte-Sterben“ blieb aus.

Um das Rauchen in Lokalen weiterhin zu ermöglichen, wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Die FPÖ bedient sich gerne der Fake News, um verrauchte Lokale salonfähig zu halten. Wie seriös ist eine Partei, die mit Lügenkonstrukten einen Zustand beibehalten möchte, der allen Beteiligten nur Schaden bringt?

Info-DIREKT: Wiens Stadträtin Ulli Sima überlegt sogar eine Klage, sollte die neue Regierung das allgemeine Rauchverbot aufheben. Würden Sie diesen Schritt unterstützen?

Rockenbauer: Ja, selbstverständlich. Ich sehe es aus juristischer Sicht sehr bedenklich, wenn ein Gesetz, das wegen der Rechtssicherheit eine so lange Übergangszeit hinnehmen muss, schon wieder geändert wird. Wirte haben jedenfalls gute Chancen einer Klage, die im Vertrauen auf das im Mai 2018 in Kraft tretende TNRSG bereits ihre Raucherräume rückgebaut haben oder wegen des kommenden Rauchverbots erst gar keinen Raucherraum eingerichtet haben. Hier sind nun die Verfassungsjuristen am Zug, diese ungeheuerliche Fehlleistung von Strache und Kurz gegenüber der Gesundheit der Bürger wieder zu reparieren.

Info-DIREKT: Vielen Dank für das Interview.


Dieser Beitrag ist Teil eines Schlagabtauschs über das allgemeine Rauchverbot. Die Gegenposition von LAbg. Karl Baron (FPÖ) finden Sie >> hier <<. Robert Rockenbauer ist Bundesleiter der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher und gibt eine Nichtraucher-Zeitung heraus. Seit Jahren kämpft er für ein allgemeines Rauchverbot in Österreich.

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