Es braucht Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen!

kantonikus enichlmayr
Bild Pfarrer Enichlmayr: Enichlmayr; Bildkomposition: Info-DIREKT

Äußerungen vieler hochrangiger Kirchenvertreter lassen den Schluss zu, dass das europäische Christentum in einer tiefen Sinnkrise steckt. Eine Rückbesinnung und Profilschärfung könnte einen Ausweg bieten. Viele konservative Menschen suchen Antworten im Christentum – trotz der aktuellen Glaubens- und Kirchenkrise.

Info-DIREKT: Die Kirche scheint sich in einer tiefen Krise zu befinden. Viele Menschen treten jedes Jahr aus der Kirche aus. Nur mehr wenige Männer lassen sich zum Priester weihen und die Kirchenbänke sind leer. Was sind die Gründe?

Johannes Enichlmayr: Im Leben ist es oft so, dass es nicht nur Hochzeiten und glückliche Tage gibt, sondern oft auch Täler durchschritten werden müssen. Ähnlich ist es im Leben der Kirche. Die Kirche hatte etwa im 12. Jahrhundert eine Blütezeit, man denke nur an das Wirken von Franz von Assisi. Und welche Erfolgsgeschichte die Kirche war und ist, kann man etwa daran erkennen, dass aus dieser kleinen Schar von zwölf Aposteln eine so große weltumfassende Kirche geworden ist und die Katholische Kirche nach 2.000 Jahren heute weltweit fast 1,3 Milliarden Gläubige umfasst.

In ihrer Geschichte erlebte die Kirche aber auch abgrundtiefe Krisen. So etwa die Abtrennung der Ostkirchen im 11. Jahrhundert, das Abendländische Schisma im 13. und 14. Jahrhundert, wo es gleich mehrere Päpste gab, oder auch die Reformation im 16. Jahrhundert, die eine weitere Kirchenspaltung brachte. Man muss jedoch festhalten, dass die Institution der Kirche ohne Hilfe des Heiligen Geistes schon längst nicht mehr existieren würde. Wir sind schwache Menschen und Sünder und es hat alle nur erdenklichen Sünden auch in der Kirche gegeben. Die Menschen in der Kirche sind schwach, nicht aber die Kirche selbst. Denn wäre sie nur Menschenwerk, so würde es die Kirche schon lange nicht mehr geben! Jesus hat dem Petrus – übrigens auch ein schwacher Mensch und nicht der stärkste der Apostel – versprochen, dass die Pforten der Unterwelt die Kirche nicht überwältigen werden.

Wir Katholiken sind davon überzeugt, dass Gott den Menschen immer wieder Prüfungen auferlegt, die wir bestehen müssen. Das gilt auch für Gottes Kirche.
Die heutige Krise hat mehrere Ursachen, die alle gemeinsam ihre Wirkung entfalten. Zu Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Kirche noch relativ stark. Das lag auch an den Notzeiten. Wenn die Not groß ist, dann sind die Kirchen voll. Die Kirche ist immer dort am lebendigsten, wo der Druck und die Verfolgung groß sind. Im Kommunismus etwa mussten die Gläubigen für ihren Glauben einstehen. Das ist in der heutigen Gesellschaft durch den Wertewandel ab 1968 nicht mehr der Fall. Wenn die Kirche die grenzenlose Freiheit hat, kann sie oft wenig damit anfangen.

Man muss aber betonen, dass die Glaubenskrise nicht alle Länder der Welt ergriffen hat. Selbst in Europa gibt es da gravierende Unterschiede. In Osteuropa, Irland, Spanien und Portugal ist die Katholische Kirche nach wie vor stark. Wir sollten also unseren kritischen Blickwinkel im deutschsprachigen Raum nicht absolut setzen für andere Länder.

Info-DIREKT: Die Kritik an der Katholischen Kirche geht vor allem in zwei Richtungen: die einen werfen der Kirche vor, sie vertrete antiquierte Positionen, die heutzutage lebensfremd seien, die anderen werfen der Kirche vor, sie habe zu viele Werte aufgegeben und sei deswegen nicht mehr attraktiv. Wie sehen Sie das?

Enichlmayr: Ich sprach zuvor schon über den Wertewandel nach 1968. Hier ging es auch um die Infragestellung aller Autoritäten. Die Katholische Kirche ist aber auf Autorität aufgebaut. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Gesellschaft vieles von dieser antiautoritären Grundhaltung angenommen. Heute ist das Wort Autorität schon beinahe ein Unwort. Der Mensch bezieht sich oftmals nicht mehr auf das Göttliche, sondern „zimmert sich“ eine Religion ohne Ecken und Kanten zurecht, die ihm möglichst angenehm ist. Den Glauben kann ich mir aber nicht selber machen. Jesus sagt nicht, ich biete Dir einen möglichen Weg von vielen zum Heil an, sondern er sagt „Ich bin die Wahrheit!“
Die Diskussion rund um die Existenz der Hölle und des Teufels vor einigen Jahren, zeigt die heutige religiöse Beliebigkeit deutlich. Einige Theologen, wie Herbert Haag, sind der Ansicht, man dürfe zu den Menschen nicht mehr von der Verdammung, dem Teufel und dem Einfluss des Bösen sprechen. Stattdessen kämen alle Menschen nach ihrem Tod in den Himmel. Wenn aber alle in den Himmel kommen, welchen Sinn hatte dann das Erlösungswerk des Heilandes, der alle Sünden der Menschen auf sich genommen hat?

Wir leben zudem in einer Gesellschaft, die Tod, Leid und Schmerzen möglichst aus dem Bewusstsein der Menschen verdrängen will. Das Sterben, Krankheiten und Gedanken an den Tod dürfen in unserer „ewig jungen“ Gesellschaft keinen Platz haben. Man wünscht sich einen „sauberen“ und „schnellen“ Tod. Sterbehilfe wird diskutiert und das Tor zur Euthanasie ist damit wieder weit geöffnet. Gleichzeitig versucht man im Leben alles mitzunehmen und zu genießen.

Die Kirche darf den Menschen aber nicht nach dem Munde reden, sondern muss ihnen das Erlösungswerk und die Frohbotschaft verkünden. Jesus hat bei seinem Abschied zu seinen Aposteln gesagt: Ihr sollt meine Zeugen sein, nicht meine Diplomaten. Ihr sollt den Menschen nicht nach dem Munde reden, sondern die Wahrheit verkünden.

Dazu braucht es Mut. Mut, um auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Die antiautoritäre Einstellung wirkt heute noch stark und wird durch die Medien noch verstärkt. Der Papst, oder einer seiner Bischöfe, braucht nur vorsichtige Kritik am Zeitgeist üben und wird sofort medial zerrissen. Denken Sie nur an die Diskussion über Abtreibungen.

Info-DIREKT: Sind die Befürchtungen von Pius X. als er im Jahr 1907 vor dem Modernismus in der Kirche gewarnt hat, nicht in wesentlichen Punkten eingetreten?

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Das Interview führte Jan Ackermeie

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1 Kommentar

  1. Der grösste Trick des Teufels ist es, die Menschen glauben zu machen dass es ihn nicht gäbe.

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