Krah oder Le Pen - wer trägt Schuld an der AfD-Krise?

22. Mai 2024 / Deutschland

Bild Marine Le Pen (RN): By Kremlin.ru, CC BY 4.0, Link; Bild Maximilian Krah (AfD) und Bildkomposition: Info-DIREKT
Es war ein spannendes Rennen gegen die Zeit, das heute mit dem Rückzug des AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Maximilian Krah, zu Ende ging. Die AfD steht nun - zwei Wochen vor der angeblich so wichtigen Wahl - ohne Spitzenkandidat da. Darüber, wer daran Schuld trägt, wird bereits lebhaft gestritten.

Ein Kommentar von Michael Scharfmüller

Sündenbock Le Pen


Die einen schreiben alle Schuld der ewigen französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen zu. Ganz von der Hand ist das auch nicht zu weisen. Le Pen suchte schon lange nach einem Grund, sich von der AfD zu distanzieren. Zuerst war Le Pen angeblich darüber empört, dass Krah für ihren Konkurrenten im letzten Präsidentschaftswahlkampf Eric Zemmour lobende Worte fand. Dann soll sie beleidigt gewesen sein, weil AfD-Sprecherin Alice Weidel kurzfristig einen Termin platzen ließ. Danach spielte sie sich als Anstandsdame auf, als sie die AfD wegen der Verwendung des Begriffs Remigration öffentlich rügte. Als Anlass für den endgültigen Bruch musste nun Krahs Aussage, dass nicht alle SS-Männer Verbrecher waren, herhalten.

In Wirklichkeit hat Le Pens unkameradschaftliches Verhalten nichts mit der AfD zu tun. Vielmehr dürfte sie die AfD nutzen, um sich selbst in eine gute Ausgangslage für ihren nächsten Präsidentschaftswahlkampf zu bringen. Es ist gut möglich, dass Le Pen mit der Distanzierung von der AfD ihre eigene Partei weiter "entdämonisieren" (dédiabolisation) möchte. Dieser Strategie ist bereits ihr eigener Vater und Partei Gründer Jean-Marie Le Pen zum Opfer gefallen.

Zudem ist denkbar, dass Le Pen ihren Landsleuten zeigen möchte, wie hart sie mit dem ewigen Konkurrenten Deutschland ins Gericht geht. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Le Pen eine stärkere Zusammenarbeit mit Italiens Giorgia Meloni anstrebt. Eine AfD, die sich mehrheitlich für Frieden und gegen Krieg ausspricht, könnte da wie Sand im Getriebe der Transatlantiker wirken.

Sündenbock Krah


Andere in der AfD geben Maximilian Krah die Schuld dafür, dass der AfD-Wahlkampf nun gelaufen ist und der Partei weitere Turbulenzen ins Haus stehen. Dass Le Pen Krah zum Vorwand genommen hat, um mit der AfD zu brechen, dürfte viele in der Partei heimlich gefreut haben. Das dürfte auch mit den vielen Angriffen zusammenhängen, die seit Monaten und Wochen gegen Krah gefahren werden, wonach er ein russischer bzw. chinesischer Spion sei. Kurz vor seiner Wahl zum Spitzenkandidaten wurde ihm dann sogar vorgeworfen, er sei ein US-amerikanischer Agent.

Trotz dieser Angriffe gelang es Krah seiner Partei als Spitzenkandidat mehr weltanschaulichen Tiefgang und super Reichweiten bei Jungwählern zu verschaffen. Was Krah dabei übersehen haben dürfte, ist, dass eine Partei kein Sportwagen, sondern ein langer Güterzug ist. Wenn die Führungslok zu rasch Fahrt aufnimmt, reißen die hinteren Waggons ab. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Parteiführung in einem der hinteren Wägen befand und als Bremsklotz fungierte anstatt gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten in Form einer gut organisierten Wahlkampfkampagne einzuheizen.

Angesichts dieser Tatsache ist es nicht verwunderlich, dass die Dampflok Krah ins Stottern geriet. So empfahl Krah dem zweiten AfD-Spitzenkandidaten Petr Bystron, aufgrund haltloser Vorwürfe, auf das Wahlkampfauftritte zu verzichten. Kurz darauf wurden ähnliche Vorwürfe gegen ihn erhoben und die AfD-Spitze beschloss den offiziellen Wahlkampfauftakt ohne Krah durchzuführen.

Krah absolvierte trotzdem viele starke Auftritte. Mit der Lockerheit war es aber vorbei. Vielleicht ist damit auch ein skurriler Wahlkampfauftritt zu erklären, in dem sich Krah mit Fransenlederjacke, Sportwagen und Motorrad präsentierte.

Maximilian Krah ist sicher einer der intellektuell und rhetorischen besten Köpfe in der AfD. Wahrscheinlich hat er seine eigenen Fähigkeiten jedoch überschätzt. Wer den Rahmen des Sagbaren erweitern will, muss dies schrittweise tun, immer wieder Verschaufpausen für die eigene Partei einlegen und toxische Themen umschiffen. Das gilt besonders, wenn man alleine bereits vor der Frontlinie steht und von der eigenen Parteispitze keine Rückendeckung zu erwarten hat.

Sündenbock Parteiführung


Auf der Suche nach einem Schuldigen für die sich abzeichnende Parteikrise muss man selbstverständlich auch das Verhalten der AfD-Führung ansprechen. Es ist ein Skandal, dass die Parteispitze noch immer nicht verstanden hat, dass Öffentlichkeitsarbeit nicht von alleine geschieht, sondern gestaltet werden muss. Ein Wahlkampf muss als Kampagne gedacht werden. Eine Kampagne ist ein medialer Feldzug. Während eines Feldzuges muss man fest zusammenstehen. Das gilt besonders, wenn einzelne Parteimitglieder ins Kreuzfeuer genommen werden und auch, wenn jemand einen Fehler macht. Manöverkritik ist wichtig, sie darf jedoch niemals eine laufende Kampagne gefährden.

Die Unfähigkeit der AfD in Krisenzeiten die Kommunikation aufrechtzuerhalten, zieht sich wie ein roter Faden durch die blaue Partei. Erinnert sei hier nur an das Tohuwabohu rund um die Bedrohungslage bei Weidel, den Anschlag auf Chrupalla oder das von Correctiv künstlich skandalisierte Privattreffen in Potsdam. Mehr dazu auch im aktuellen Magazin Info-DIREKT (inkl. 10-Erste-Hilfe-Tipps für kommunikative Notfälle).

Angesichts der zahlreichen Angriffe auf die AfD und ihre Kandidaten haben viele AfD-Funktionäre einen "Jetzt erst recht"-Wahlkampf gefordert, wie man ihn von der FPÖ in Österreich kennt. Anstatt jedoch den eigenen Kandidaten den Rücken zu stärken, Kritiker in den eigenen Reihen in die Schranken zu weisen, der frechen Le Pen die Stirn zu bieten und die mediale Aufmerksamkeit für Gegenangriffe zu nutzen, hat man die Hände in den Schoss gelegt und vermutlich nur an die eigenen Karriereaussichten beim nächsten Bundesparteitag gedacht.

Der Schaden, der dadurch innerhalb der AfD entstanden ist, kann derzeit noch gar nicht abgeschätzt werden. Zahlreiche ehrenamtliche Wahlkampfhelfer haben sich in den letzten Wochen für die beiden Spitzenkandidaten ins Zeug gelegt, viel Freizeit geopfert und ihren eigenen Ruf aufs Spiel gesetzt. Speziell jene Gruppen, die für die nächsten Tage Wahlkampftermine mit Krah vorbereitet haben, müssen sich jetzt vor den Kopf gestoßen fühlen.

Schluss mit der Sündenbocksuche


Und trotzdem ist es mühsam und wenig zielführend nun Sündenböcke für das angerichtete Chaos zu suchen. Der Hauptgrund dafür, dass die AfD und ihre Spitzenpolitiker angegriffen werden, ist der Erfolg der letzten Monate. Solange die AfD das nicht begreift und entsprechend diszipliniert und geschlossen auftritt, wird sie immer ein gäriger Haufen bleiben, der zu wenig PS auf den Boden bringt. Zehn Tipps, was passieren muss, damit sich das ändert, lesen Sie im aktuellen Magazin Info-DIREKT - am besten gleich abonnieren!

Nachtrag, 19:25 Uhr: Krah soll als Mitglied des Bundesvorstands der AfD auch als Wahlkampfmanager für die EU-Wahl fungiert haben.
Nachtrag, 20:34 Uhr: Die AfD-Spitze soll nur Krah vom Wahlkampfauftakt ausgeladen haben. Bystron hätte auftreten können, verzichtete aber darauf. (Ursprünglich stand im Text, dass die beiden Kandidaten ausgeladen gewesen wären.) 

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